Exkursion nach Ungarn – Ein Bericht

Donnerstag, 13. Oktober 2022 (Region Balaton)
Siofruit Family Kft. – Siófok Obstanbau (Hauptkultur: Aprikose)
Das erste Ziel war die Siofruit Family Kft. in Siófok, am östlichen Balaton (Plattensee) gelegen. Der Name ist Programm. Im Familienbetrieb gibt es weiter keine Angestellten, lediglich Saisonkräfte. Der Betrieb umfasst insgesamt 36 ha mit über 20 ha Aprikose, 1,6 ha Süßkirsche, 0,3 ha Pfirsich, 0,6 ha Apfel und 0,6 ha Quitte. Außerdem sind 10 ha Ackerland vorhanden. Herr Zoltán der mit seiner Frau den Betrieb führt, plant in Zukunft auch Walnuss und Birne anzubauen. Sauerkirschen lohnen sich schon seit vielen Jahren nicht mehr.
Die Niederschläge sind sehr unterschiedlich, so waren es 300 mm im Jahr 2010 und im darauffolgenden Jahr 1.100 mm. Trotz Zusammenschluss in einer Bewässerungsgemeinschaft mit mehreren Obstbauern vor Ort, wurde seit drei Jahren nicht bewässert, was am „katastrophalen“ Zustand der Zuleitung und der Wasserqualität vom Plattensee liegt. Der Boden der Anlage ist kalkhaltig und liegt bei 30 – 32 Punkten (Skala von 20 (Sand) – 40 (Lehm)).
Die Aprikosensorten werden öfters rotiert, im Moment werden ca. 15 verschiedene Sorten angebaut. Ladycot ergibt 99 % Top-Qualität in einer uniformen Größe. Die Sorte färbt früh aus und halten lange am Baum. Auch die Sorte Mambo ist sehr gut. Sie blüht sehr früh Ende Februar, aber sogar als alle anderen Aprikosen Spätfrostschäden hatten, hat Mambo überlebt und gute Erträge geliefert. Bei der Sorte Bayoto müssen, bis -7 °C, gar keine Frostschutzmaßnahmen ergreifen werden. Einmal im Jahr wird mit manuellen Schnittmaßnahmen (Temperatur muss über 10 °C sein) die Alternanz gebrochen, so dass die Erträge nicht zwischen den Jahren schwanken.
Die Hauptblütezeit der Aprikosen schwankt, ist aber laut Aussage von Herrn Zoltan, immer zu Ostern. Es wurden einige Maßnahmen gegen Spätfrost getestet. Gut funktionieren würden Paraffinkerzen. Diese sollten aber verboten werden. Beim ersten entzünden musste sich ein Mitarbeiter hinlegen, da er keine Luft mehr bekommen hatte. Auch Vögel würden sterben. Frostbuster wurden getestet, aber für zu gefährlich und ineffektiv erachtet. Die stationären Frostguard-Geräte wurden aber eingesetzt. Seit diesem Frühjahr werden mit zwei großen, stationären Windrädern (180 PS, 10,5m/240 PS, 12,5m) die besten Ergebnisse erzielt. Diese erwirken durch das wegschieben kalter Luftschichten +3 °C Temperaturerhöhung. Die Windmaschinen funktionieren vollautomatisch (manueller Eingriff ist immer über eine App möglich) und decken 20 ha ab. Sie haben auch die umliegenden Betriebe vor Spätfrostschäden gerettet.
Chemischer Pflanzenschutz zur Beikrautregulierung wird nur einmal im Jahr eingesetzt, wenn die Bäume kein Laub haben, da es sich sonst im Baum akkumulieren würde. Im Frühjahr und Sommer gibt es, wegen der Trockenheit fast kein Unkraut. Moos unter den Bäumen würde die Temperatur um 2,5 °C senken und wird zur Reifesteuerung genutzt.

Almakúti Kft. – (Hauptkultur: Apfel)
Am Nachmittag stand der Besuch bei Almakúti an. Neben 80 ha Apfelproduktion gibt es ein 15 ha Baumschulquartiere, 19 ha Aprikosen und einen Sortentestgarten. Zu den 11 festangestellten Mitarbeitern kommen jährlich 120 ungarische Saisonkräfte.
Die gesamte Apfelproduktion findet auf der Unterlage M9 statt. Unter anderem wird die Sorte Bonita angebaut, welche eine dreifache Schorfresistenz aufweist. Fuji und Braeburn werden nicht mehr angebaut und auch Pink Lady färbt sich zu spät aus (November). Auch sei es schwierig so spät im Jahr noch Erntehelfer zu bekommen. Die Äpfel werden maschinell, mit manueller Nacharbeit, geschnitten. Durch die hohen Temperaturen in der Vegetationszeit fallen die Früchte von Jonagold und Elstar frühzeitig, noch vor der Ausfärbung. Bei Trockenheit gibt es an Gala Probleme mit Ohrwürmern. Wanzenprobleme haben sie dort nicht. Erklärtes Ziel ist die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und eine rückstandsfreie Produktion. Für die Nährstoffversorgung werden Hühner- und Rinderpellets eingesetzt um einerseits das Bodenleben anzuregen (Humusgehalt < 1%) und andererseits die höheren Mineraldüngerkosten zu vermeiden. Einige Anlagen werden in Intensivkultur mit 30 – 80 cm Baumabstand bewirtschaftet. Der Reihenabstand ist 3,5 m, wobei 3,2 m besser funktionieren. 80 cm sind optimal für die M9 Unterlagen. Die Nachbauproblematik ist hier kein Problem, die 2. Generation ist im Wachstum gebremst, was durchaus willkommen ist.
2003 gab es einen großen Hagelsturm, der die gesamte Ernte vernichtete. Seither ist zwar kein so großes Hagelereignis mehr passiert, dennoch wurde ein Großteil der Anlagen (ca. 70 %) mit schwarzen Hagelnetzen ausgestattet. Es sei eine massive Investition gewesen, die aber auch notwendig war. Betonpfähle passen optisch nicht in den Nationalpark auf dem die Anlage steht, deshalb wurden fast ausschließlich Holzpfähle verbaut. Wegen der Hagelnetze ist hier auch Sonnenbrand kein Thema.
Die Fahrgassen werden kurzgehalten, bei Spätfrostereignissen wird die Tropfbewässerung, die in der Vegetation auch zur Fertigation dient, angestellt. Seit zwei Jahren wird ein Helikopter zur Frostabwehr eingesetzt. Zusätzlich zur Luftverwirbelung bringt die Kerosinverbrennung des Helikopters Energie in die Anlage. Er zog eine, bei Verbrennung von Paraffin entstehende, Rauchfahne hinter sich her, die verhindern soll, dass die Wärmestrahlung verloren geht. So werden 100 ha in der Stunde abgedeckt. In Tallagen werden Granny Smith angebaut, da diese weniger Spätfrostanfällig sind.
Wasser wird in mehreren Teichen gesammelt, die an den tiefsten Stellen der weitläufigen Anlage verortet sind und 70.000 m³ fassen. Wenn die einmal aufgebraucht sind, sichern zwei Tiefbrunnen die Wasserversorgung.

Freitag, 14. Oktober 2022 (Budapest, Erd)
Hungarian University of Agriculture and Life Sciences (MATE) – Research Centre for Fruitgrowing
Wir wurden sehr freundlich am Versuchsstandort der MATE-Universität in Érd (Vorort von Budapest) empfangen. Auf 40 ha werden hier Versuche zu Anbaufragen bearbeitet, eine in Situ Genbank unterhalten, die Produktion von virusfreiem Vermehrungsmaterial, sowie Züchtungsarbeit und Sortentests durchgeführt. Viele der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ihre aktuellen Projekte in kurzen Vorträgen zusammengefasst und haben uns so einen informativen Einblick in die Forschung vor Ort vermittelt.
Es gibt auch ein Züchtungsprogramm für Walnuss. Ungarn ist eines der nördlichsten Gebiete in dem es „sicher“ ist die persische Walnuss anzubauen. Einige Sorten werden aber auch in der Pfalz kultiviert. Zuchtziele sind hier vor allem der Ertrag, die Fruchtqualität und ein später Austrieb. Letzteres kann durch Spätfrostereignisse geschädigt werden. Zusätzlich setzt die Trockenheit in den Sommermonaten der Fruchtgröße zu. Auch Regenereignisse zur Erntezeit im September spielen eine Rolle, da dann die Trocknung sehr energieintensiv wird.
Die Kultur von Mandeln wird klimabedingt immer wichtiger in Ungarn. Im Mandelanbau fällt die Blütezeit sehr häufig in die Spätfrostphasen. Die Dauer der Dormanz spielet hierbei eine große Rolle, wenn diese lang genug andauert, kommt es erst nach der Spätfrostphase zur Blüte. Durch immer mildere Winter verringert sich aber die Dormanzphase. Getestet werden die Sorten in einer Klimakammer, um die verschiedenen Frostphasen zu simulieren. Die Frosthärte, Kältebedürfnis und Wärmebedürfnis der einzelnen Sorten variiert stark und sollte vor einer Pflanzung beachtet werden. Viele spanische Sorten eignen sich durch hohe Kältebedürfnisse und dadurch späterer Blüte für den Anbau in Ungarn.
Bei Mandeln und Walnüssen ist das Triebsterben und Verfärbungen an der Nuss ein Problem. Colletotrichum fioriniae and C. godetiae verursachen diese Symptome, bei hohen Temperaturen in Kombination mit Regenfällen, bzw. hoher Blattfeuchte. Colletotrichum nymphaeae ist bei Mandeln und Erdbeeren ein weltweites Problem im Anbau. Auch Diaporthe amygdali wird immer häufiger beobachtet. Einige dieser Schadpilze sind erst in den letzten Jahren im Zuge der höheren Temperaturen nach Ungarn gekommen. Auch die steigende Globalisierung trägt ihren Teil zur Verbreitung bei und, durch den Klimawandel häufiger auftretende wechselhafte, ungünstige Wetterlagen schwächen die Vitalität und damit die Abwehrmechanismen der Bäume.
Zurzeit ist auch ein Versuch zur Evaluierung von Unterlagen für Süßkirschen angelegt. Die Sorten Regina, Carmen, Bigarreau, Burlat, Pillangó, Magdolna, werden in Kombination auf den Unterlagen: MaxMa 14, GiSelA 6, WeiGi 2 getestet. Besonders wird auf die Wasserversorgung und die Fruchtqualität geschaut. Auch in Ungarn gab es dieses Jahr hohe Temperaturen und extreme Dürren, der Niederschlag im Sommer betrug lediglich 100 mm. Es werden verschieden Parameter wie das Triebwachstum, Stammumfang, Ertrag, Photosyntheseleistung und Wasserpotenzial erfasst.
Im nationalen Fruchtkataster wurden bis 2018 verpflichtend jeder Obstbauberieb erfasst. Seither ist die Eintragung nur nötig, wenn EU-Förderungen vergeben werden. Die Förderungen sind meist an die Anlage einer Bewässerung und Hagelschutz und bestimmte Pflanzintensitäten gekoppelt. Im Kataster werden auch Anbauempfehlungen gegeben. So wird der Probeanbau von Kiwi, Persimone, Feige, Honigbeere und Jujube empfohlen, währen vom Anbau von Pecannüssen, Olive und Granatapfel abgeraten wird. Mit dem Kataster geht auch eine eingehende Beratung der Obstbauern einher, die sich zu Anbaueignungen informieren und Fachkundige Ratschläge bekommen können.
Anschließend wurde bei einer ausgiebigen Anlagenbesichtigung diskutiert und Kontakte ausgetauscht. Wir freuen uns auf zukünftigen Austausch und Vernetzung.

Samstag, 15. Oktober 2022 (Region südöstlich Budapest)
Marillen Gyümölcsfeldolgozó Kft. – Obstbau (teilw. Bio) + Hersteller Fruchtmark, Backfüllungen & Kühllager
Welche Verarbeitungswege Obst aus Ungarn gehen kann, zeigte uns die Marillen Kft., ein Verarbeitungsbetrieb für Püree und Tiefkühlware nahe Kiskunfélegyháza (südl. Ungarn). Hier werden 5.000 Tonnen Früchte im Jahr verarbeitet. Eine Obstanlage mit 60 ha mit verschiedenen Kulturen, macht nur einen kleinen Teil der zu verarbeitenden Ware aus. Der Aprikosenanbau ist hier nicht mehr gut geeignet, da die Winter zu warm sind und dadurch Spätfröste die Blüten schädigen. Verschiedene Maßnahmen wie Frostschutzberegnung, Verrauchung von Strohballen und Winderzeugung durch Gebläsespritzen wurden ausprobiert aber keine davon als gut befunden. Die Ergebnisse heben sich nicht genug von unbehandelten Bäumen ab und verursachen nur Kosten. Daher sollen jetzt vermehrt Pflaumen statt Aprikosen angebaut werden. Eine Bewässerung über Tropfschläuche ist durch die sandigen Böden täglich notwendig.
Nach Warenkontrolle und Auslese von schlechten Früchten werden die Früchte entsteint und zerkleinert. Das entstandene Püree wird für wenige Minuten auf 115 °C erhitzt um es haltbar zu machen und anschließend in Fässer abgefüllt. Für den Hauptabnehmer Hipp wird viel Bioqualität für Babynahrung produziert. Die Produktion von Holunder unterscheidet sich in dem Punkt, dass die Dolden gefroren werden und dann die Beeren abgetrennt werden. Die Stiele werden dann von einem Windsichter separiert. Ein weiteres Produkt sind tiefgekühlte Aprikosen, die nach dem einfrieren manuell zerschnitten und vom Kern getrennt werden. Dieses Produkt wird insbesondere, in Kombination mit Püree, von weiterverarbeitenden Betrieben nachgefragt, die Marmelade mit Stückchen produzieren.

Kecskemetibirs Gabor Toth – Quittenanbau
Zu guter Letzt wurde die Quittenanlage von Gabor Toth besucht. Die 1,5 ha Fläche liegt in der Nähe von Kecskemét, im südlichen Teil Ungarns. Seit Anfang des Jahres wird die Anlage auf biologische Produktion umgestellt. Einige Helfer sind gerade bei der Ernte der strahlend gelben Früchte. Neben den vier Hauptsorten Konstantinopel, Leskovac, Vranja und Triumph werden nach und nach durch weitere Sorten, wie zum Beispiel der aromatischen, neuen Sorte Cydora robusta, ergänzt. Der im Nebenerwerb tätige Inhaber ist sehr aufgeschlossen gegenüber neuen und umweltschonenden Produktionsverfahren. So plant er den Einsatz von Schafen und Hühnern und den Probeanbau verschiedener anderer Kulturen wie Pistazie und Granatapfel. Eine Durchmischung der Kulturen, auch mit einzelnen Äpfeln und Birnen, soll die Biodiversität fördern. Die gesamte Anlage ist mit Tropfschläuchen ausgestattet, die aus einem Tiefbrunnen gespeist werden. Die Niederschläge betragen lediglich 400 – 500 mm im Jahr. Gegen Feuerbrand werden Bakteriophagen eingesetzt, Apfelwickler werden mit Isomate Dispenser bekämpft, beides funktioniert sehr gut. Trotz hohem Graßbewuchs gibt es keine Probleme mit Wühlmäusen. Besonders interessant waren die Bodeneigenschaften der Anlage. Der obere Teil der Anlage, mit lehmigem Boden wird nach etwa der Hälfte der Fläche schlagartig, wie mit dem Lineal eingezeichnet zu Sandboden. Die durchschnittlich 22 t/ha werden zu 95 % auf der Fläche mit dem guten Boden erwirtschaftet. Der Wuchs der Bäume ist sichtlich eingeschränkt auf der sandigen Seite.

Wir bedanken uns bei allen beteiligten für die gute Gastfreundschaft und die lehrreichen Ausführungen.

Die besuchten Gebieten haben eine Durchschnittstemperatur von 11,4 °C und einen mittleren Jahresniederschlag von 560 mm (climatecharts.net). Damit kommt es nahe an das für Brandenburg prognostizierte Klima 2071-2100 im RCP8.5 ran (12,9 °C; 593 mm).

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Windmaschine
Apfelintensivkultur unter Hagelnetz
Kistenentleerung mit anschließender Sortierung
Besuch der Versuchsanlagen in Erd
Tockenstress an Kirschen
Vergleich von Spindel und UFO
Standorte der Exkursionsziele (Quelle: Google Maps)
Besuch bei Gabor Toth
Quitten auf sandigem Boden, im Hintergrund lehmiger Boden